Während der fünf Minuten, in denen Sie diesen Artikel lesen, kaufen wir Deutschen 60 000 Kleidungsstücke. 10 000 davon werden wir niemals tragen.
Wir fahren acht Millionen Kilometer mit dem Auto, drei Millionen davon sind überflüssig. 60 000 Euro verschenken wir für Strom, den Geräte im Stand-by-Modus verbrauchen. Wir werfen 32 000 Einwegbecher weg und verheizen 400 000 Euro für zu hohe Temperaturen in unisolierten Gebäuden.
Jeder von uns erzeugt im Jahr etwa neun Tonnen CO2. „Das juckt uns aber trotzdem nicht, weil wir es nicht griffig genug vermittelt bekommen“, erklärt Prof. Jens Watenphul. Der Experte der Klimaagentur Rhein-Ruhr hat mit seinem Team ein Kampagnenkonzept entwickelt, mit dem er die Geschwindigkeit der Kommunen in die Klimaneutralität verdreifachen will. „Was ein Euro wert ist, weiß jeder. Was ein überschüssiges Gramm CO2 konkret bewirkt, versteht aber kaum jemand. Deshalb bewegt es niemanden genug, um etwas zu ändern.“
Ein Problem der Kommunikation – und der Akzeptanz. Denn CO2-Sparen kann eigentlich ganz einfach beginnen. Und Geld spart man dabei auch noch.
Hier sind fünf Tipps des Klima-Experten, die jeder sofort umsetzen kann.
Mal das Fahrrad nehmen
Nehmen wir uns alle vor, machen es dann doch nie. Ist halt viel bequemer, schnell mit dem Auto zum Bäcker zu fahren.
„Weil wir nicht sehen, was wir verursachen, ist es uns oft noch egaler“, sagt Watenphul. „Wären Abgase pink und auf der Rückfahrt vom Bäcker noch sichtbar, wäre uns das unangenehmer.“ Jede Fahrt mit dem Rad spare schnell ein Kilo CO2: „Es stärkt zudem das Immunsystem und senkt das Herzinfarktrisiko um 50 Prozent.“
Das Handy weglegen
Handy schon wieder leer? Vielleicht legen sie es für heute einfach mal ganz weg.
Permanente Onlinepräsenz verbraucht eine immense Menge an Server-Energie: der globale Internet-Verkehr in etwa so viel wie der globale Flugverkehr. Es hilft also auch, mal nachzudenken – und nicht permanent alles zu googlen. Sich mal zu unterhalten – und nicht permanent zu chatten.
Regional und vegetarisch essen
Jetzt kommt nicht wieder mit dem Veggie Day! Mein Schnitzel nimmt mir keiner weg!
Will ja auch niemand. Es würde schon helfen, das Schnitzel bewusst zu essen. Mit dem Wissen etwa, dass ein Jungbulle 7000 Kilo Grünzeug gefressen hat, bis aus ihm 200 Kilo nutzbares Fleisch gewonnen werden. Man könnte zumindest gelegentlich direkt das Grünzeug essen. „Das spart auch CO2 für Haltung und Transport“, ergänzt Watenphuls Kollegin Annika Lipke.
Apropos Transport: Regionale und frische Produkte kommen ohne Zehntausende Liter Kerosin und Schiffsdiesel aus. Lokales Gemüse und Obst verursachen bis zu 200 Mal weniger Kohlendioxid als Treibhaus-Gemüse aus fernen Ländern.
Die alte Jacke noch mal auftragen
Fünf Milliarden Kleidungsstücke kaufen wir pro Jahr. Jedes Fünfte wird nur zweimal getragen.
„Mehr als die Hälfte der Deutschen hat noch nie gebrauchte Kleidung verkauft“, so Lipke. „Dabei könnte die Weitergabe guter Kleidung enorm viel Geld und CO2 sparen.“ Auch Umschneidern oder Flicken der Lieblingsstücke würden helfen. „Und grundsätzlich: Waschen bei 30 Grad reicht mit modernen Waschmitteln in 90 Prozent der Fälle auch.“
Heizung runterdrehen
Klar haben wir es gern muckelig warm. Aber: Selbst Ärzte empfehlen im Wohnzimmer nur 20 bis 22 Grad, im Schlafzimmer maximal 18 Grad.
„Ein Sparduschkopf für 20 Euro spart schon im ersten Jahr 60 Euro für Warmwasser“, sagt der Klima-Experte. „Solarmodule für Balkon und Garten werden immer günstiger und reichen oft für den täglichen Licht-, Lade- und Monitorverbrauch. Falls Sie eine Klimaanlage haben: Ein Grad Kühlung benötigt dreimal mehr Energie als ein Grad Wärme.“
Das grundsätzliche Problem laut Watenphul: „Zu viele handeln erst, wenn andere es vormachen.“ Hier sieht er vor allen die Kommunen zunehmend in der Pflicht: „Bürgermeister werden erst aktiv, wenn Nachbarstädte mit Klimaerfolgen auftrumpfen.“ Mit den richtigen Kampagnen könne man die Menschen auch erreichen: „Die Kunst ist nicht, 50 Prozent der Menschen dazu zu bewegen, dass sie etwas gut finden. Die wahre Herausforderung ist, jedes Jahr drei Prozent dazu zu bewegen, wirklich etwas zu tun. Dafür brauchen wir nicht dreimal bessere Technik. Die ist gut genug. Wir müssen sie nur dreimal intensiver kommunizieren.“
Die Kommunen müssten den Menschen klarmachen, dass sie mit kleinem Aufwand großes Geld sparen können: „Das ist der größte Hebel, um der Klimaneutralität näherzukommen. Und auch der einzige Richtung Bürger, der ihnen keine Gesetze aufzwängt.“